Nachdem die "Abbruch, Abbruch"-Tour der Antilopen schnöden von der Pandemie zum Abbruch genötigt wurde, hatte ich mich schon damit abgefunden, dass das mit dem Live-Gig in meiner Nähe erstmal
nichts wird ... jedenfalls nicht vor Januar 2022 und auch dieser Termin ist momentan eher eine Utopie. Aber wie heißt es so schön: unverhofft kommt oft. Und so verbringe ich im Juni eine späte
Mittagspause wieder einmal damit Tickets zu ordern ... life is too short - buy the damn concert tickets.
In Hannover haben sich 6 großartige Clubs zum Kollektiv Kulturbande zusammengeschlossen, haben gemeinsam mit der Stadt Hannover (aka UNESCO City of Music) ein coronakonformes
Veranstaltungskonzept gebastelt und sich mit Förderanträgen geplagt. Ergebnis dieser Bemühungen ist eine 45tägige Open Air-Serie im Ricklinger Bad mit Namen "KommRaus". Als Beckenrockerin bin
sofort von diesem Konzept begeistert und der heutige Abend wird vom wunderbaren Kulturzentrum Faust präsentiert.
In Prä-Corona-Zeiten begannen Konzerttage mit starkem Kaffee, Survival-Bag packen und jeder Menge Vorfreude. Aktuell läuft das etwas anders, Survival-Bag und starker Kaffee sind geblieben, aber
die Vorfreude setzt erst nach dem beaufsichtigten Nasebohren ein, denn geimpft sein reicht nicht. Aber Sicherheit ist wichtig, und wenn ich die mit einem Stäbchen in der Nase erhöhen kann, dann
ist das halt so. Meine Kollegin ist nicht nur so lieb mir beim Stäbchen drehen zuzugucken, sondern gönnt mir auch einen vorzeitigen Feierabend. Also schmeiße ich mich im Büro ins nagelneue
Antilopen-Shirt und ab geht's ins Ricklinger Freibad. Die Autobahn ist frei und die Wetter-App verspricht einen trocknen Konzertabend.
Auf dem Weg zur Location geht ein Pärchen vor mir her und das Mädel hat ein oder besser gesagt DAS Beckenrand-Shirt an. Wie schön, das wird ein Abend unter Gleichgesinnten. Die Songs der Gang
rotieren ja schon seit ein paar Jahren durch meine Playlists, aber die Bühnenpräsenz der Jungs ist so krass, da konnte ich nicht anders als mich am Wolfshäger Beckenrand schock zu verlieben. Die
Warteschlange am Bad ist überschaubar und am Einlass geht alles sehr gesittet zu. Wie alle Veranstaltungen in dieser Zeit ist das Konzert natürlich bestuhlt und durch einen glücklichen Zufall
bekomme ich einen Platz in der ersten Reihe.
Mit einem Lieblingsgetränk in der Hand, einem Platz in der ersten Reihe und der Vorfreude auf ein großartiges Konzert kann das Leben kaum besser sein ... mir doch egal, ob Fatoni & Edgar
finden, dass das Leben relativ dumm ist. Ich genieße es einfach mal nichts tun zu müssen und für nichts die Verantwortung zu haben, sondern einfach nur dazusitzen und abzuwarten was auf mich
zukommt. Und was nach der kurzen Wartezeit auf mich zukommt, das gleicht einem musikalischen Orkan. Die DJ Jenny Sharp macht das warm-up für die Gang und ihre Beats fegen über die Liegewiese des
Freibades. Ich wippe meinen Stuhl tief in den schlammigen Boden und wünsche mir nichts sehnlicher als das Jenny mal ein Zeichen zum Aufstehen und Tanzen geben würde. Hat der Frau den niemand
Bescheid gesagt, dass Tanzen heutzutage nicht mehr überall gestattet ist? Das Publikum braucht eindeutige Hinweise!
Aber vielleicht ist es auch gar nicht so verkehrt sich die Energie ordentlich einzuteilen ... meine Seele tanzt jedenfalls schon und ich sauge die Energie ein, die diese zierliche Frau an ihren
turntables ausstrahlt. Es war so offensichtlich richtig, dass die Antilopen Jenny Sharp in ihren Tourbus verfrachtet haben. Danke dafür, liebe Antilopen!
Nach Jenny's DJ-Set wird noch eine letzte Pausenmusik eingespielt und dann entert die Antilopen Gang die Bühne und endlich gibt Jenny das erlösende Signal zum Aufstehen ... Hannover, es darf
getanzt werden. Die Herren Rapper waren im Lockdown fleißig und haben mit "Adrenochrom" ein krasses Album abgeliefert und aus dem bekommen wir jetzt #pepsiundbasmatireis auf die Ohren.
Antilopen gibt 'ne Party ... und zwar eine von der amtliche Sorte, denn #diekyngzsindback. Wie menschgewordene Tornados wirbeln Danger Dan, Koljah Kolerikah und Panik Panzer über die
Bühne und ihre Energie ist nicht nur atemberaubend, sondern auch ansteckend. Ich glaube, ich wurde gerade mit der Live-Variante des Lopi-Virus infiziert (gegen den es hoffentlich keine
Immunisierung gibt) ... anders ist meine Tanzwut an einem Montag Abend jedenfalls nicht zu erklären.
Der Song #armyparka ist mit sehr tanzbare Beats unterlegt und Jenny und die Gang heizen uns ordentlich ein. Ich hoffe inständig, dass die ein oder andere Ansage von Koljah nur einer dieser
Scherze ist, mit denen die Gang des Öfteren in Interviews glänzt, nach Comedy steht mir heute nicht der Sinn. #pizza ist jetzt nicht unbedingt mein Lieblingstrack der Antilopen, aber er ist
unumgänglich ... schließlich ist er seiner Zeit auf Platz 1 gechartet. Auf Pizza ("oder ein Pendant dazu") können sich schließlich alle einigen. Trotzdem gibt es für mich bessere Songs
auf "Anarchie & Alltag". Ich bin hin und her gerissen, denn albernen Mitmachparts sind nicht so mein Ding. Aber wenn frau in der 1. Reihe steht, dann soll es ja für die Band nicht so aussehen
als hätte frau keinen Spaß. (Mir graut auch schon vor dem Moment, in dem wir die Stühle über unsere Köpfe heben sollen.) Glücklicherweise dauert der Song nur 3 Minuten und ich kann mich im
Anschluss wieder der Liebe zur Musik hingeben. #wünschdirnix knüpft direkt an "Pizza" an ... wenn ihr nicht so dumm wärt, wär' "Pizza" kein Hit ... das ist dann schon eher mein
Humor.
Ich könnte vor Freude durchdrehen ... welcher wohlmeinende Mensch hat das #patientenkollektiv auf die Setlist gesetzt? Ich schicke ein Dankgebet an die Göttin der Musik, denn diesen Song hatte
ich mir so gewünscht. Wenn mich jetzt der Blitz träfe, würde ich glücklich sterben. Aber so leicht stirbt es sich bekanntlich ja nicht und die Antilopen heben mit #globuli mein persönliches
Glückslevel ein weiteres Mal an. Adrenalin durchflutet meinen Körper und ich will nur noch frei drehen. Keine Ahnung wie viele Student*innen und Graduierte hier bei #fickdieuni gerade mitgrölen,
aber ich kann die Line "Was bringt die Uni? Die Uni bringt nichts!" in großen Teilen bestätigen.
Im Mainstream-Radio laufen täglich Dutzende Popsong über Liebe und was machen die Antilopen aus diesem Thema? Natürlich ein gesellschaftskritisches Trennungslied ... #trenndich. Und weil wir
gerade bei Gesellschaftskritik sind, wird es auf der Bühne jetzt hochpolitisch ... #beatezschäpehörtu2. Ist mir egal, ob "keiner die Gang peilt", ich feier' das hier. Und Jenny lässt
mich ordentlich weiterfeiern, denn sie legt ungeahnte Beats unter das #liedgegenkiffer. Auf dem Album kommt der Song so chillig um die Ecke ... fast schon als hätte ihn ein Kiffer komponiert.
Herrlich, diese feine Ironie der Antilopen. Außerdem mag ich es, wenn Live-Shows nicht 1:1 das Album abbilden. (Wahrscheinlich steh ich deshalb auch auf Die Ärzte.)
Mittlerweile kommt auch die Lightshow gut zur Geltung ... hier passt einfach das Gesamtkonzept. Auf der Bühne bauen fleißig Helfer flux um und rücken Daniel's Klavier ins Spotlight. Nach dem
sensationellen Erfolg seines Klavieralbums will alle Welt Danger Dan Klavierspielen hören ... bei einem Antilopen-Gig eher merkwürdig, aber auch fabelhaft. Tobi und Koljah haben eine kurze
Verschnaufpause und Daniel spielt #laufdavon ... übrigens ein Song mit einem echt geilen Video. Und natürlich geht es aktuell auch nicht ohne das viel Besprochene
#dasistallesvonderkunstfreitgedeckt. Ich verstehe, dass das Album so gefeiert wird ... ist ein ziemlich krasses Teil und das zärtlichste Album 2021. Das ganze Freibad singt mit, während Daniel
die "Vorzüge" des Spotlights "genießt" ... ja ich kann die Mücken tanzen sehen. Aber am Ende ist Daniel halt auch eine waschechte Antilope und der folgende Klaviersong wird nicht nur von Tobi und
Koljah begleitet, sondern ist auch einem sehr besonderen Menschen gewidmet: Jakob Wich.
Jakob (aka NMZS) war die 4te Antilope in dieser fabelhaften Gazellenbande und hat seinerzeit den Anstoß zum Song #enkeltrick gegeben. Leider hat Jakob vor einigen Jahren entschieden diese Welt zu
verlassen ... ich hoffe er feiert hinterm Regenbogen jetzt fette Partys und legt der Göttin der Musik seine Lines zu Füßen. Sein Album "Egotrip" feiert in Kürze sein 10jähriges Release und das
Label Antilopen Geldwäsche bringt als Tribute eine Vinyl als Re-Release heraus. Die Antilopen haben Jakob's Tod auf ihrem Album "Abbruch, Abbruch" in dem Song #2013 verarbeitet. Und während der
Song läuft, stellen sich mir alle Haare am Körper auf und ich denke an all die tollen NMZS-Songs in meiner Playlist. Nur den Publikumseinsatz zur Antilopen Geldwäsche, denn haben wir in
Hannover wohl gründlich vergeigt.
Daniel's Klavier wurde zwischenzeitlich wieder am Bühnenrand verstaut und die Antilopen drehen zu #derrufistruiniert noch einmal richtig auf. Ich geh dann mal an die Theke, denn einen Stuhl über
meinem Kopf schwenken ist echt nicht drin. Aber das Publikum hat Spaß und feiert die Gang. Mit dem nächsten Song #verliebt wollen die Antilopen sich verabschieden. Scheinbar ist es egal wie
verliebt wir in diese Musik sind, die Gang will wohl Feierabend machen und nochmal ins Schwimmerbecken springen. Aber ohne Zugabe lassen wir hier niemanden gehen. Und die 3 erbarmen sich des
feierwütigen Publikums und belohnen unser Durchhaltevermögen an einem Montag mit einem #dirtychai. (Einer meiner Lieblingssongs bei der täglichen Fahrt auf der A7.) Und wo sie nun schon auf der
Bühne stehen, gibt es #smauldo direkt hinterher. Der Abend endet an den Wurzeln der Gang mit der #antiallesaktion und plötzlich ist alles vorbei. Die Antilopen Gang verabschiedet sich mit dem
Versprechen wieder nach Hannover zu kommen. Ich glaube ja nicht wirklich an das Konzert im Capitol im Januar, aber die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt.
Im Hintergrund läuft wieder Musik vom Band und ich taste mich langsam in die Realität zurück. Mein Adrenalinpegel ist immer noch überirdisch hoch und in Gedanken hänge ich noch an Jenny's
Breakdance-Einlage. Die war der Hammer, fehlt nur noch, dass jetzt jemand ein Graffiti sprüht, das wäre die Perfektionierung von HipHop. Ich fühle mich lost und halte mich an einem Gespräch mit
der erwähnten Beckenrockerin und ihrem Freund fest.
Auf dem Heimweg lasse ich den Zufallsgenerator laufen und der schmeißt NMZS' "Egotrip" raus.... life is beautiful. Zu Hause lasse ich dann den Adrenalinpegel bei einem Absacker absinken. Ich habe nämlich sehr nette Kolleg*innen und die Realität wird mich morgen erst eine Stunde später zurückbekommen. Während ich die geschossenen Fotos dieses Abends durchsortiere, läuft der Abend in meinem Kopf ein zweites Mal ab. Und ich frage mich, woher all diese kleinen, liebevollen Sticheleien gegen Fatoni immer kommen. Diese Typen müssen schon verdammt oft zusammen literweise Crémant vernichtet haben. Anders sind einige Lines und Ansagen echt nicht mehr zu erklären. Oder ich peil es halt nicht, weil eben niemand die Gang peilt.
Der Abend war so krass, ich könnte schon wieder und wenn die Inzidenzwerte es zulassen liegt zwischen mir und dem nächsten Antilopen-Konzert nur eine kurze Zeitspanne und ein Sonntag mit
"Feindsender Fiasko".
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