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Fatoni & Edgar Wasser Delirium@kommraus Hannover 26.08.2021

Der Lockdown hat Fatoni's Andorra-Tour kurz vor ihrem Ende abgebrochen, sozusagen ein künstlerischer Coitus Interruptus. Und was macht der Typ? Erst genießt die Zwangspause für ein paar Wochen, erdet sich und dann verschwindet er mit Edgar Wasser im Studio. Und allen künstlerischen Differenzen zum Trotz hauen die beiden uns im Mai 2021 #delirium um die Ohren. Das Album chartet auf Platz 1 der Hiphop- & Platz 4 der Album-Charts. Fatoni absolviert den Promo-Marathon allein ... Edgar hält sich aus solchen profanen Dinge ja bekanntlich raus.
Und Fatoni hat in den letzten Monaten so einige Songs rausgehauen. Egal ob die Modus-Beats reaktiviert wurden oder das ein oder andere Feature das Licht der Welt erblickte, Fatoni ist ein Getriebener der eigenen Kreativität. Er kann also nicht gemeint sein, wenn dieser Typ von Spotify von "faulen Künstler*innen" spricht.

Covid-19 und seine Folgen haben meinen Plan, mir Fatoni live anzuschauen, in weite Ferne gerückt, denn an den Auftritt im Capitol im Januar 2022 glaube ich noch nicht so recht. Bis auf weiteres läuft "Delirium" in meiner Playlist rauf und runter. Was sagt es eigentlich über meinen Musikgeschmack aus, dass ich mir ein Album reinziehe, bei dem 9 von 12 Songs von iTunes als "explizit" gekennzeichnet wurden?
Und dann war da die Ankündigung des Kollektiv Kulturbande ... Fatoni & Edgar Wasser gastieren in der Open-Air-Reihe "kommraus Hannover".  Also wird im Juni die Mittagspause kurzerhand nach hinten verlegt, denn Ticketbestellung dürfen nicht dem Zufall überlassen werden und mein Herz macht einen kleinen Hüpfer. Bei dieser Veranstaltungsreihe ist es möglich Einzeltickets zu ordern ... in der heutigen Zeit leider keine Selbstverständlichkeit. Jedenfalls habe ich nach 3 Minuten ein Ticket für die faszinierendste Stimme des Deutschrap und Edgar Wasser.

 

Der Tag beginnt mit den üblichen Konzertvorbereitungen (starker Kaffee, Survival-Bag packen, beaufsichtigtstes Nasebohren und Vorfreude) und einem zögerlichen Blick in die Wetter-App. Ich atme auf, denn die Regenwahrscheinlichkeit liegt heute Abend in Hannover unter 5%. Ich sag mal so, was denn heutigen Abend angeht hab' ich ein gutes Gefühl ... so vom feeling her. Ich kann Überstunden abbummeln und zwischen mir und dem Edgar&Fatoni-Konzert liegen nur noch 2 ätzende Staus.
Erst gestern habe ich die Reste der Freibad Liegewiese aus meinen Tanzschuhen gekratzt und jetzt stehe ich wieder hier auf dem völlig durchweichten Gelände. Am Montag war es noch Zufall, dass ich einen Platz in der 1. Reihe ergattern konnte, heute ist es der Plan möglichst weit nach vorne zu kommen ... und er gelingt. Ich richte mich häuslich ein und steuere erstmal die Getränkeausgabe an. Dort bekomme ich ein Lieblingsgetränk und ein Kompliment für meine self-made-Shirt. Nette Worte von fremden Menschen machen echt gute Laune. Warum können die Menschen nicht immer so entspannt miteinander umgehen wie bei Konzerten?

 

Die Pausenmusik ist heute unerträglich (gefühlt nur 2 Songs in Endlosschleife) und es scheint eine Ewigkeit zu dauern bis die Vorband beginnt. Edgar und Fatoni haben Taby Pilgrim und ihre Mädels ausgesucht. Frauen sind im Deutschrap zunehmend keine Rarität mehr, aber leider immer noch sehr selten. Ich finde es spannend mir "neue" Bands und Künstler*innen anzuschauen und was diese 3-Frauen-Crew auf der Bühne abliefert ist wirklich ordentlich. Es geht um #shinyshoes, #tagträume und #sonnenblumenkerne. Die Texte spielen mit Klischees und strotzen vor (Selbst-) Ironie. In den nächsten Tagen muss ich mich unbedingt näher mit der Musik von Taby Pilgrim beschäftigen, in dieser Musik gibt es mit Sicherheit noch ganz viel zu entdecken.

 

Auf der Bühne wird umgebaut und die ätzende Pausenmusik geht weiter. Unvermittelt erklingen bekannte Töne aus den Boxen: "Wind of Change" von den Scorpions ... scheinbar eine Reminiszenz des heutigen Hauptacts an die gastgebende Stadt (Ich bin nicht sicher, ob ich den Humor der Künstler teile). Aus dem Off ertönt die Stimme von Fatoni und die gutgelaunte DJ Josi Miller nimmt ihren Platz an den turntables ein. Von der ersten Minute an wabbern fette Ironie-Wolken über das Konzertgelände ... ich bin also 1000% in meinem Element.
Es macht
#ratatatatatatatatat und zwei gut gelaunte Typen betreten die Bühne ... [Sie] sind back, so wie b-a-c-k. Es sind der Fatoni und der Edgar. Nach dem großartigen Album "Nocebo" vor 8 Jahren heißt es heuer endlich Edgar ist back ... Fatoni ist back. Es ist Zeit zum Freidrehen und Josi Miller's Beats verwandelt die Liege- in eine Tanzwiese. #homieduweißt und über das Gelände schallen la-la-la-Chöre ... verdammt tut das gut. Wie oft kann man eigentlich #newcomerdesjahres sein? Die Musikwelt ist so schnelllebig geworden, dass ich mir diese Frage ernsthaft stelle ... schließlich hat Fatoni's aktuelle Single durchaus Radio-Potential.
Auf der Bühne wird #alle11minuten angeteasert und abrupt abgebrochen. Es folgt ein sehr gut durch choreographierter Dialog zwischen den Protagonisten: Toni will den Song nicht spielen, weil der nicht jugendfrei ist und er meint irgendwo dahinten ein Kind gesehen zu haben ... Edgar findet das natürlich albern. Der Song wird also erstmal nicht gespielt. Schade ich hatte mich gerade auf die "clean version" eingerichtet ... Panna Cotta wäre jetzt auch nett gewesen.
Ich weiß jetzt nicht genau wer hier #derbeste sein soll ... Fatoni oder doch eher der Edgar. Aber Toni und ich haben scheinbar ein gemeinsames Hobby: die Prokrastination. Am Ende sind wir wohl doch alle nur Menschen egal welcher Profession wir nachgehen. Ach übrigens, ... Es ist Donnerstag, aber ich weiß nicht, was für 'n Tag ist. Ja, so geht es mir auch manchmal, aber eher wegen des Hustles und nicht wegen der Prokrastination. Heute ist übrigens Donnerstag! Edgar und Fatoni können sogar auf so ein alltägliches Thema wie "Danke sagen" einen fetten Ironie-Filter legen und sagen #dankefürdeinfeedback. Also ich mag die Art wie diese Typen denken.

Auf der Bühne wird nochmal neu verhandelt, ob DER Song, denn jetzt wo es dunkel ist, gespielt werden kann. Edgar möchte wohl ganz gerne, aber Fatoni sorgt sich um sein Karma-Konto. Er glaubt wohl, dass er aktuell im Plus ist und will das keinesfalls riskieren, wo doch das Kind immer noch da ist. Haben running gags eigentlich einen Spannungsbogen? Egal, Edgar verhandelt gut und wirft mit #freierssohn einen politisch korrekten Song in die Waagschale, um Toni's Karma-Konto in Balance zu halten. Ich öffne die Video-Funktion meines Handys und werde unvermittelt von der Realität eingeholt. Ein Ordner weist mich darauf hin, dass filmen nicht erlaubt sei. Ich kapier 's erst nicht, denn ich will das Video ja nicht veröffentlichen. Aber der Typ meint, dass das nicht interessiert. "Die Künstler wollen das nicht" ... e basta. Ah okay, die "Künstler" wollen das nicht ... weshalb ist Fatoni's Insta-Story dann voll mit Video und Konzert-Mitschnitten aus dem Publikum? Ach egal, ich muss nicht alles verstehen ... tanzen ist eh wichtiger als filmen.
Im Anschluss wird nochmal #alle11minuten angespielt ... und wieder abgebrochen. Jetzt schiebt Toni die Schwiegermutter vor, der müsse er erstmal erklären, wie der Song gemeint sei. Nach kurzer Diskussion mit Edgar verschwindet Fatoni im off.

Zeit für ein paar Edgar Wasser Solo-Songs. Würde über dem Kopf von Edgar Wasser nicht ständig die fette Ironie-Leuchtreklame schweben, dann nähme ich ihm den #badboy echt übel. Aber wer kann einem Typen mit einem so ironischen Blitzen in den Augen etwas krummnehmen? (Er hat bad boy geschrieben, er ist ein Feminist.) Zumal er kürzlich #frischgeimpft released hat ... einen der besten Songs zur aktuellen Situation in Deutschland. (Ich bin nur nicht sicher, ob ich einen 1,90 m-Mann wie Fatoni bei stagediving auffangen möchte, nur weil er geimpft ist ... #impfenschützt.) Wir sind #backinthedays und dann ist Fatoni back on stage. Er hat seine Gitarre im Gepäck und es gibt eine ungewohnte Version von #alle11minuten auf die Ohren. Warum muss ich ausgerechnet jetzt am Getränkestand anstehen? Mist! Immerhin bin ich zum richtigen Schlagwort zurück. Ob Fatoni zum Ende des Songs wirklich schneller wird, wird dann später auf der Bühne ausdiskutiert.
Edgar und Fatoni haben schon verdammt viele gemeinsam Songs auf dem musikalischen Buckel. Es ist also nicht verwunderlich, dass sie gemeinsam in die Schatzkiste greifen und uns #deutscherrap und #checkunsaus um die Ohren hauen. Meine leise Hoffnung auf DEN Fatoni & Edgar Wasser Song wird erfüllt ... #anderuhr und ich könnte ausrasten vor Glück. Und die beiden haben auch ein paar sehr geile Songs mit dem Juse-Meister aufgenommen ... ich sag mal so: #übertreibnichtdeinerolle. Wir dürfen den JuseJu-Part in #7eleven übernehmen und feiern uns mit der #nocebogang durch die Nacht.
Edgar und Fatoni haben gestern das Zollhaus in Leer abgerissen und tischen uns jetzt eine fragwürdige Austern-Story auf. Ergebnis dieses kleinen Dialoges ist, dass Edgar im off verschwindet. Und Fatoni nutzt die Solo-Zeit, um uns aktuelle Disco-Sounds zu präsentieren ... #feeling lässt das Freibad beben. Fatoni hat recht: ich bin [frisch] geimpft und gut gelaunt. Wie gerne würde ich an manchem Tag Fatoni zitieren und meinen Gesprächspartner*innen ein #kannnichtredenichesse entgegnen ... es gibt Songs, die ich so fühlen kann.
Edgar kommt auf die Bühne zurück und die beiden schinden Zeit ... auf der Setlist steht wohl nicht mehr viel. Aber Edgar hat bei seiner Rückkehr auf die Bühne Fatoni's Gitarre dabeigehabt, es gibt also noch mindestens einen Song. #allesziehtvorbei gehört zu den three-most-played-Songs von Fatoni beim Spotify und Josi Miller zeigt uns ihre zauberhafte Singstimme ... what a night. Mit diesem Highlight soll der Abend dann vorbei sein, aber wir wollen nicht nach Hause ... Nein Nein Nein Nein Nein Nein.

 

Wir wollen noch nicht zurück in die #realität und Edgar und Fatoni erfüllen mir mit diesem Song als Zugabe einen Herzenswunsch. Für mich ist Realität der beste Song des Albums "Delirium" ... Wie soll ich diese lächerliche Welt denn noch ins Lächerliche ziehen?  Eine Frage, die ich mir momentan sehr oft stelle, denn ich hab' auf meiner Stirn doch schon den Ironie-Stempel drauf.  Noch einmal wird unerbittlich das Publikum einbezogen, denn wer jetzt seine #taschenlampe vorzeitig ausmacht, der/die ist ein loser. Aber Hannover hält durch.
Die #künstlerischedifferenzen sollen wohl dieses Konzert endgültig beenden. Aber Edgar und Fatoni starten einen letzten Versuch uns die "Original-Version" von #alle11minuten zu gönnen, aber mittlerweile ist es nach 22 h und Hannover dreht den beiden den Saft ab. Tja, Jungs, das habt ihr jetzt davon, dass ihr euch den ganzen Abend geziert habt.

Ich sammle mich kurz, um wieder in der Wirklichkeit anzukommen, die es ja gar nicht gibt und geh mir ein Shirt kaufen ... das blöde Uni-Sex-Teil schneide ich mir schon noch zu Recht. (Sorry, aber als Frau verlange ich mein Recht auf ein Girlie-Shirt.) 

 

Auf dem Heimweg sinniere ich über den Abend, denn ich habe Zeit und die A7 ist voller LKWs, während der Zufallsgenerator einen Song vom Juse-Meister rausschmeißt. Natürlich ist es ein Feature mit Fatoni, denn die beiden zusammen sind too  legit to quit. Was soll ich nur von diesem Abend halten? ... Ein egozentrischer Künstler und ein gelernter Theaterschauspieler inszenieren eine Show und ja, das Wort Inszenierung trifft es auf den Punkt. Denn die Dialoge auf der Bühne waren eine waschechte Inszenierung ... merkwürdig, denn Rapper kommen ja traditionell aus dem Freestyle. Egal, denn der Abend war wundervoll und hatte einen krass guten move: Josi Miller an den turntables. Deutschrap braucht einfach mehr Frauen (dass das Konzept Potential hat, hat Jenny Sharp ja schon am Montag Abend bewiesen).

Ich habe morgen frei und gönne mir daheim noch einen amtlichen Absacker, während ich durch die Fotos vom heutigen Abend scrolle und immer noch der tollen Stimmfarbe von Fatoni nachhänge.

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