Der Juli 2020 war so traurig und sehr anstrengend ... der Alltag war bestimmt von Inzidenzwerten und sich wöchentlich ändernden Verhaltensregeln. Ich blickte langsam nicht mehr durch. Nur die
Absage des Terry Hoax Auftritts auf Hallig Langeneß, die verstand ich leider sofort. Kein Hallig-Ausflug, kein Konzert meiner musikalischen Jugendliebe ... was für ein trauriger Sommer.
Doch im Oktober 2020 durfte ich neue Hoffnung schöpfen und hängte ein Hallig-Ticket für Terry Hoax 2021 an meinen Kühlschrank. Von da an hieß es auf niedrige Inzidenzen, hohe Impfquoten und
verständliche Regeln zu hoffen. Es galt positiv zu denken und negativ zu bleiben.
September 2021 ... in Deutschland gelten halbwegs nachvollziehbare C-Regeln. Jetzt müssen nur noch die VVK-Zahlen stimmen und einem Ausflug zum besten Ort der Welt steht nichts mehr im Wege. Noch
zwei Tage vor dem Event sende ich Stoßgebete an die Göttin der Musik, denn ich will zurück in mein persönliches Auenland ... the place where all the magic happens.
Da Stau auf der A7 die gute Laune verdirbt, nutze ich die gesammelten Überstunden, um schon am Donnerstag die halbe Strecke zum Sehnsuchtsort zu absolvieren. Ich gastiere in einem kleinen
Familienhotel im Seevetal, wo man mich nach Jahren noch als Gästin erkennt, und starte am Freitag beschwingt Richtung Schlüttsiel.
Immer wenn ich den Nord-Ostsee-Kanal überquere, schaltet mein Gehirn in den Urlaubsmodus. Die Sonne scheint, im Autoradio läuft das Terry-Mixtape und das Leben ist einfach nur schön. Wie immer
komme ich bei Ebbe an der Nordsee an. Aber dass das Wasser wird zurückkommen, das ist so sicher wie die Tatsache, dass gute Musik unsterblich ist. Ich habe noch jede Menge Zeit, genieße die
meditative Wirkung der Nordsee und stolpere quasi über den weltbesten Malte - eine der guten Seelen hinter "Kultur auf den Halligen". Also wer sich von der positiven Energie dieses Mannes
nicht anstecken lässt, dem ist eindeutig nicht mehr zu helfen.
Nach und nach sammeln sich die Liebhaber*innen handgemachter Rockmusik an der Süd-Mole, um nach dem coronasicheren Check-In bei der lieben Christiane an Bord der MS Seeadler zu gehen.
Es ist einer dieser kleinen perfekten Momente, die uns das Leben schenkt ... ein Wiedersehen mit liebgewonnenen Mensch*innen, eine unterhaltsame Seefahrt, gutes Wetter, ruhige See und gut
gelaunte Musiker an Bord. Wobei hier fehlt doch ein Gitarrist ... na das wird sich schon noch klären. Die Seeadler fährt heute eine große Schleife, schließlich wollen wir nicht noch auf eine
Sandbank auflaufen. Und so bleibt mir auch reichlich Zeit mit all den Mensch*innen zu plaudern, die ich so vermisst habe.
Ich setze meine Füße auf die Hallig und sofort setzt der "Auenland-Zaubereffekt" ein ... all die Erinnerungen an vorangegangene Hallig-Besuch durchfluten mein Gehirn und meine Seele. Nichts auf
der Welt ist so wundervoll und entspannend wie dieser kurze Moment, wenn meine Füße Hallig-Boden berühren. Und schon wandern wir dem nächsten Hallig-Highlight entgegen: dem superleckeren
Grillbuffet. Im Hilligenley herrscht emsiges Treiben, wir begrüßen die "Hallig-Schläfer*innen" und machen uns übers Grillbuffet her. Wir essen, plaudern und genießen das Leben. Die Zeit vergeht
wie im Flug. Pappsatt und voller Vorfreude brechen wir zum Schafstall auf.
Malte hatte während der Überfahrt die "Punkt-Regel" erklärt. Aber das einige andere Hallig-Regeln außer Kraft gesetzt wurden erstaunt mich dann doch ... mein Turnbeutel hat es nie zuvor in den
Schafstall geschafft.
Wir sichern uns "Tanzpunkte" in den ersten drei Reihen und fiebern dem Konzertbeginn entgegen.
Ich bin schon wieder irritiert ... so viel Platz hatte ich im Schafstall noch nie. Eigentlich ist es hier immer sehr kuschlig und wir stehen dicht gedrängt, gefühlt mit 400 Leuten, in der ersten
Reihe. Aber was wollen wir machen? Malte hat gesagt, dass hier heute "auf den Punkt geturnt" wird, und dass wiederholt er auch nochmal bei der Anmoderation der Band. Vorband gibt es heute keine,
aber wer braucht schon eine Vorband, wenn er einen Malte haben kann?
Die Terrys starten den Abend mit #gonnasingasongforyou und einer kollektiven Gänsehaut. Worte können nicht beschreiben, wie sehr wir alle diese Momente vermisst haben, denn der komplette Schafstall schaltet sofort in den Rock-Modus. Und ich könnte jetzt schon heulen vor Glück. Aber wo ist denn nun Marcus? Bei Terry Hoax heißt es heute tatsächlich "1 Mann über Bord", aber Olli klärt die Situation und wir schicken Genesungswünsche und positive Energie zu Marcus.
Von der Bühne erklingt #insanity und ich wünsche mir, dass jemand den Moment für mich einfriert. Die Welt wurde gerade reduziert auf geile Musik, exzessives Tanzen und pure Emotion. Es ist einer dieser "hook a hey"-Momente. Und ich kann #inbetween heute so fühlen, befinde ich mich doch irgendwo zwischen Realität und Traumwelt.
Olli ist ziemlich beeindruckt von unserer Disziplin ... das Publikum rastet total aus und trotzdem bleiben alle auf ihrem "Tanzpunkt". Wann sind wir in den letzten 30 Jahren so erwachsen
geworden? Und wo wir gerade so einen erwachsenen Moment haben ... wie geht es eigentlich den Rock'n'Roll-Schwalben, die hier im Schafstall wohnen? Ach, die haben schon den Soundcheck genossen ...
es gibt also auch Dinge, die dieses fiese kleine Virus nicht ändern kann.
Ich tanze mich über das #personaltightrope und träume mich durch #starsinmyblood. Ich kann nicht zählen, wie oft ich diese Songs schon gehört habe, aber ich liebe immer noch jede einzelne Zeile.
Die Stimmung ist großartig und der komplette Schafstall feiert #liveall. Und wir senden "Gute Besserung"-Chöre, positive Energie und ganz viel Liebe an Marcus.
Wir nehmen all die Energie mit in die nächsten Songs und singen uns bei #policyoftruth und #anotherface die Seele aus dem Leib. #loveforliberty wird für mich zur heimlichen Hymne dieses Events,
denn wir feiern hier heute nicht nur Terry Hoax und ihre Songs. Wir feiern, dass sich dieser Abend dank der Hallig-Crew frei und normal anfühlt. So viele Menschen, die im Hintergrund dafür
sorgen, dass dieser Abend ein voller Erfolg wird, wie soll man das angemessen würdigen?
Die Jungs aus Hannover nehmen uns mit auf den #lovetrip ... das heißt für gewöhnlich noch einmal Kräfte sammeln, weil sie gleich wieder einen Rock-Tornado über uns hinweg fegen lassen werden. Einfach herrlich!
Auf der Bühne wird zu #fromlovetohateandback ein energetisches Feuerwerk abgebrannt, doch vorher lässt Olli uns noch an einer sehr seltsamen Idee teilhaben, die mich stark an Waldorf-Pädagogik erinnert. Die konzertlose Zeit hat wohl in uns allen den "komischen Kauz" geweckt. Glücklicherweise tut dieses Gedankenspiel der Stimmung keinen Abbruch, denn wir sind #notafraidtodie.
Auf der Setlist steht natürlich auch #touchthesky ... das ist jetzt ein kribbliger Moment, denn unter normalen Umständen würde aus Olli jetzt "the flying Perau" werden. Aber wie geht
stagediving in einer Pandemie? Also der Olli hat da eine prima Idee: Stagediving verkehrt herum. Statt ins Publikum zu springen, sucht Olli sich einen Platz in den vorderen Reihen und genießt für
ein paar Minuten die Show seiner Bandkollegen und springt mal eben von der ersten Reihe auf die Bühne zurück. Ich sag ja, die ganze Welt ist verrückt geworden.
Eigentlich endet dieses fabelhafte Konzert jetzt. Und mittlerweile habe ich das Gefühl für Zeit und Raum komplett verloren. Haben wir überhaupt noch Zeit für Zugaben oder zwingt uns die Tide
schon zur Rückfahrt aufs Festland?
Wir haben verdammtes Glück, denn die Zeit reicht noch für einen kurzen Zugaben-Part. Auf der Hallig gelten einfach andere Gesetze. Hier zählen weder die gute Stimmung des Publikums noch die
Spielfreude der Band ... an diesem Ort bestimmen allein die Gezeiten den Lauf der Welt oder eben das Ende des Konzerts. Wir bekommen noch #thebestisyettocome auf die Ohren. Es ist einer dieser
Songs, die mich durch die letzten Jahre getragen haben, für die vorangegangenen 18 Monate gilt das wohl besonders. Und dann kommt der Song, der an diesen Ort gehört wie kein anderer:
#waterland. Wo, wenn nicht hier sollten dieser Song gespielt und gefeiert werden.
Und dann ist plötzlich alles vorbei und wir müssen uns sputen, um zum Anleger zu kommen, denn die Seeadler kann nicht ewig warten.
Ein großes Stück Normalität und Lebensfreude wurden an diesem Abend über uns ausgeschüttet und dieser Abend wird uns wohl über viele Wochen und Monate durch den weiteren Pandemieverlauf tragen
müssen.
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