Auf meinem Schreibtisch im Büro steht ein Kaffeebecher mit dem Aufdruck "Ich suche keine Konzerte, die Konzerte finden mich". Ich glaube dieser Spruch trifft die Situation ganz gut. Denn ich kam zu diesem Konzertticket wie die sprichwörtliche Jungfrau zum Kinde.
Gestern Abend kam plötzlich eine WhatsApp ... wegen Krankheit ist ein Ticket für das Liedfett-Konzert in Braunschweig abzugeben. Da kann ich einfach nicht widerstehen und eine super nette Begleitung ist inklusive.
Es ist später Nachmittag, ich tausche das Büro-Outfit gegen mein gutes Liedfett-Shirt & den Beckenrand-Hoodie und kämpfe mich durch den Feierabend-Verkehr nach Braunschweig. Der erstbeste
Parkplatz ist meiner und der kleine Spaziergang zum westand tut gut, um den Kopf frei zu kriegen. Es dauert nur ein paar Minuten, bis Undine eintrudelt und dann beginnt das Technik-Chaos. Einen
QR-Code einscannen gehört ja momentan zu jedem Konzertbesuch dazu. Ich versuche es vergeblich mit der Luca-App, nur um mir von einem Ordner 'nen Spruch drücken zu lassen. Der QR-Code sei
schließlich nicht mit "Luca" beschriftet. Das stimmt auffallend, der QR-Code ist nämlich gar nicht beschriftet! Der Typ ist ein echter Blödmannsgehilfe. Draußen in der Warteschlange gilt die
Maskenpflicht, während in der Location 2G gilt.
Theoretisch ist mir klar was 2G bedeutet, aber nach Monaten unter den kritischen Blicken diverser Security-Mitarbeiter*innen fühlt sich die nachfolgende Szene irgendwie strange an. Ich stehe im
Eingangsbereich und warte darauf, dass Undine am Check-In abgefertigt wird, da spricht mich ein Security-Mitarbeiter an. Ich könne die Maske gern tragen, dürfe sie aber durchaus abnehmen, es sei
schließlich 2G. Ich brauche ein paar Minuten, um mich zu sortieren. Dieser Moment ist einfach surreal und ganz langsam sickert die Erkenntnis durch, dass die Impfung nicht nur sinnvoll, sondern
auch nützlich war.
Wir gehören zu den ersten Besucher*innen und haben die freie Platzwahl. Heute entscheiden wir uns gegen die erste Reihe, die überlassen wir den Leuten mit Moshpit-Ambitionen. Wir verquatschen die Zeit bei Kaltgetränken. Es tut so gut den Alltag abzuschütteln und den Kopf für die Musik freizumachen. Undine & Olaf kennengelernt zu haben gehört auf jeden Fall zu den Glücksfällen dieses verrückten Sommers.
Das westand ist mittlerweile gut gefüllt und das Publikum ist dieser liedfett-typische bunte Haufen ... es ist unwirklich und wunderschön. Da stehen Menschen dicht an dicht, man umarmt sich,
allen steht die Lebensfreude ins Gesicht geschrieben. Nach 19 Monaten sozialer Abstinenz ist ein Abend ohne Abstand und Masken auf eine abgefahrene Art wunderschön.
Das warm-up übernimmt heute Lucas Uecker, der hat nämlich kürzlich sein zweites Solo-Album veröffentlicht. Und Liedfett-Konzert und Lucas als Vorband, das hat im Wolters Applaus Garten letztes
Jahr im Sommer schon sehr viel Spaß gemacht. Ich bin gespannt welche Songs Lucas auf die Setlist gesetzt hat. Ob auch ein oder zwei Songs von "Unterm Teppich" dabei sein werden oder ob
wir ausschließlich "Schöne Dinge" auf die Ohren bekommen werden?
Lucas betritt mit einer kleinen Bandformation die Bühne und er hat wieder diesen lustigen Anzug an. In Kombination mit seinem Schlafzimmer-Blick wirkt der Anzug immer wie ein dekadenter
Schlafanzug. OMG ... ich glaube meine Synapsen fahren schon wieder Fahrstuhl, anders sind solche absurden Assoziationen nicht zu erklären. Aber hier und heute gilt "irgendwann gehen wir alle
vor die Hunde ... doch bis dahin sind wir verdammt gut gekleidet" und Lucas sagt "lass die Band spielen, bis es dunkel ist" - ja hier und heute ist #titanic. Ich liebe diesen
Moment, wenn neue Songs das Licht der Live-Welt erblicken. Es ist egal wie oft ich #derkönigtanztnichtmehr oder #schönedinge in den letzten Wochen aus der Konserve gehört habe, denn live ist
alles ganz anders ... viel besser. Denn Musik bekommt live für mich eine neue, eine zusätzliche Dimension, die ich nicht erklären kann. Es ist dieser einmalige, unwiederbringliche Augenblick, in
dem ich "begreife" wie diese Songs sich anfühlen. Die ersten Songs hämmern sich in mein Herz und bewegen meinen Körper als wäre es wirklich "der letzte Tanz, während Babylon zerfällt".
Ich bin gerade sehr verliebt in das Leben. Das Braunschweiger Publikum singt "viva la revolution" und tanzt sich den Staub der Pandemie von der Seele.
Ich genieße das #neonstrassenlicht mit geschlossenen Augen. Lucas erzählt eine Variation der Geschichte des "le petit prince" und ich frage mich kurz, ob es gemein ist, dass ich seine
Duett-Partnerin zu #derfuchs gerade gar nicht vermisse. (Dabei finde ich Annett Louisan ziemlich gut.) Auf der Bühne geht's um #altesachen, ich tanze mir die Seele aus dem Leib und das westand
ist erfüllt von "eyoheyoh"-Chören. Ich versinke immer tiefer in der Musik und #lassessein. Jetzt heißt es #schenkmirein und über die 500 Mensch*innen im westand legt sich Seligkeit. Wir würden
gern noch ein paar Songs von Lucas hören, aber es ist Zeit für den Bühnenumbau ... Wartezeit fürs Publikum.
Angeblich soll der Abend hier 2G sein ... mmh, da kennt wohl jemand das aktuelle Liedfett-Album nicht, denn bei den Jungs ist #3g (geil geil geil) angesagt. Der Laden kocht und langsam kann man wieder riechen wie Live-Konzerte sind und die "oooooh"-Chöre zu #duweißtja lassen meine kleine Welt erbeben. Und nicht nur in diesem Song geht es um straight edger, auch Daniel lebt mittlerweile nach dieser Devise (Schwangerschaft verändert eben auch Männer). Doch er lässt es sich trotzdem nicht nehmen das Publikum in der front row mit Whiskey-Duschen zu beglücken.
"Die Sterne leuchten nur für mich" ... will sagen, ich tanze als gäbe es kein Morgen und die Band spielt #gibmirdeinenfinger. Auf der Bühne wird #timing gespielt und ich vergesse tanzend Zeit und Raum ... "ist das schön oder irre"? Egal, den mit kaum einer Band kann man so schön #scheitern wie mit Liedfett, die ihre Fans liebevoll #schmierlappenkommando nennen. Es gibt 'ne "akustische Punk-Show" und der Moshit dreht mehrfach durch. Morgen bin ich bestimmt heiser, aber das ist jetzt egal, für mich ist es "Zeit wieder sorgenfrei zu sein". Und ich werde morgen so einen derben Muskelkater haben ... gut, dass ich Büro ganz viel rumsitzen kann.
#sowiedubist ist wieder einer dieser seelenaufrüttelnden Gänsehaut-Songs und ich tanze mich unaufhaltsam ins Nirwana. Doch am Ende haben wir alle #verkacktbevoreslosgeht und sind alle der #papagei ... beste Beschreibung meines 9-to-5-Jobs ever. Zum #gaukler machen die ersten Reihen sehr viel Platz. Wo eben noch der Moshpit tobte, verwandelt sich der Platz in eine Mini-Manege. Es gibt wahre Gaukler*innen im Publikum, die uns zum Soundtrack von Liedfett mit einer fabelhaften Lichtshow-Artistik unterhalten. Daniel scheint sehr stolz auf dieses Lied und wozu es Mensch*innen inspiriert. Ich habe definitiv den Schmelzpunkt erreicht ... dieser Song ist einfach unfassbar schön. Doch zum Verschnaufen bleibt mir keine Zeit, denn jetzt heißt es #kommstdumit. Leben, tanzen, mitsingen ... alles ist ekstatisch und #allewissenbescheid.
Ich möchte im aggressiv-progressiven Sound von #dasloch versinken, denn der Song passt genau so gut zu meiner Stimmung wie #kopffrei. Es tut so gut den Alltag loszulassen ... "Pflichten hin, Pflichten her ... Ich mach' mein' Kopf frei und lass' es mal geschehen". Es könnte noch ewig so weitergehen, aber leider ist das hier schon die Zugabe und morgen ist dann wieder Alltag angesagt. Apropos Alltag ... um es mit der Band zu sagen #scheißdrauf, denn das ist ja erst morgen. Jetzt heißt es ein letztes Mal Energie zu sammeln und auf #körperlicheselbstverteidigung umzuschalten.
Auch in Braunschweig fahren Busse und Bahnen nicht ununterbrochen und nachdem ich Undine auf halbem Weg abgesetzt habe, dreh ich die Playlist im Auto nochmal richtig auf.
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