Manchmal brauchen auch die besten Pläne im Leben eine Weile, bis sie endlich Realität werden. Und wenn ich an diesen Abend im November 2019 im Sauerland zurückdenke, als mir die Einladung nach Bonn zu kommen in den Schoß fiel, dann fällt mir wieder dieser Spruch ein: Am Ende wird alles gut und solange es nicht gut ist, ist es auch nicht das Ende.
Die spontane Einladung von Andi einfach doch mal einen Ausflug nach Bonn mit dem Besuch eines Terry Hoax Konzerts zu verbinden, kam ziemlich überraschend. Aber wenn man mir einmal so einen
Gedanken ins musikverliebte Herz pflanzt, kann ich einfach nicht nein sagen.
Das Leben hat uns in 2020 einen Strich durch die Rechnung gemacht, aber Andi, die Crew der Harmonie und die Band haben am gemeinsamen Plan festgehalten. Hier gilt der wunderschöne Satz ...
aufgeschoben ist nicht aufgehoben.
Nur die Aussicht, die gut 4-stündige Autofahrt mutterseelenallein bestreiten zu müssen, ist jetzt nicht unbedingt eine Traumvorstellung. Und da sind Staus noch gar nicht eingerechnet. Aber die sind mir sicher, denn die erste Baustelle auf dem Weg liegt quasi direkt vor meiner Haustür, inklusive Vollsperrung an jedem zweiten Wochenende. Und so beschließe ich vor einigen Wochen an einem Abend in der Marlene (Hannover) endlich mal wieder mit der Bahn zu fahren. Eine nette Reisebegleitung ist auch schnell gefunden und Vorfreude macht sich breit.
Wenige Tage vor dem Konzerttermin postet Olli bei FB, dass er schon mal die Chucks putzt. Das klingt nach Vorfreude. Meine Chucks müssen zu Hause bleiben, denn Bahn fahren heißt für mich mit dem Rucksack verreisen.
Um 9 h morgens beginnt die abenteuerliche Bahnreise gen Südwesten, natürlich mit (angekündigten) Chaos. Aber wäre es sonst die Deutsche Bahn? Beim Umstieg in Hannover erwarten mich eine freudig strahlende Alexa und ein Lieblings-Kaffee. Wir haben beide das ungute Gefühl etwas vergessen zu haben. Wobei ich schon weiß, dass ich einiges nicht im Gepäck habe und den Rest dieses Gefühls schiebe ich auf die Tatsache, dass wir unsere Tickets erst in Bonn bekommen werden. Wir versuchen die Irrungen und Wirrungen einer Bahnfahrt in Deutschland mit Humor zu nehmen. Wir kommen zur besten Kaffeezeit bei herbstlichen Wetter in Bonn an und noch bevor wir im Hotel einchecken können, treffen wir auf Andi und haben endlich unsere Tickets in Händen. Fühlt sich schon viel besser an. Ab jetzt können wir die restliche Wartezeit auch genießen und das Kribbeln im Herzen nimmt stetig zu.
Auf dem Weg in die Harmonie geraten wir in einen Regenschauer und ich bin klatschnass als wir ankommen, aber das zählt nicht mehr als ich in die strahlenden Gesichter der bereits anwesenden Terry
Fans blicke.
Die Harmonie ist ein beeindruckend schöner Laden, die Atmosphäre ist mega entspannt und die Wiedersehensfreude ist groß. Die Musik dieser Band bringt mich immer wieder mit Menschen zusammen, die
ich sonst wahrscheinlich niemals kennengelernt hätte. Und bei all diesen Menschen waren seit 1992 so einige dabei, die heute Herzensmenschen sind. Es gibt so viele Bekannte und freund*innen zu
begrüßen, so viele Gespräche zu führen, dass die Wartezeit bis 20 h mit einem Wimpernschlag vergeht. Die Harmonie ist gut gefüllt, aber ohne das blöde C ginge da noch mehr ... na vielleicht beim
nächsten Mal.
Die band of the day startet mit dem berühmten akademischen Viertel in den Abend. Und die 5 starten nicht einfach nur mit einem ersten Song, sondern die Band ergießt ihre aufgestaute
Energie einem Vulkan gleich über das Publikum. Ich bin nicht sicher, ob die Band den #perfectview hat oder doch eher das Publikum. Aber zwei Dinge kann ich mit Sicherheit sagen: Olli's Chucks
sind tatsächlich blitzblank und diese Band schafft es uns binnen Sekunden von 0 auf 1000 Gefühls-km/h zu beschleunigen. Das können wirklich nur ganz wenige Musiker*innen. Und den Terrys fällt
dieses Kunststück nicht einmal schwer, denn diese Typen brennen für die Musik, den Moment auf der Bühne und ihr Publikum. Ich glaub die mögen uns auch ein bisschen.
Marcus musste leider noch daheimbleiben, er kümmert sich noch eine Weile nur um sich selbst und seine Gesundheit, aber er hat eine prima Vertretung ... Andy Mertens ist eingesprungen und heizt
uns mit seinem ganz eigenen Gitarren-Stil ein.
Und da ist er wieder, der Moment, in dem ich vor Glück durchdrehen könnte. Ganz automatisch schließe ich die Augen und lasse mich von #insanity in diesen wunderbaren 1992-reloaded-Zustand
versetzen. Der Song gehört zu meinen alltime favourites und für mich kann der Abend jetzt kaum noch besser werden. D.h. jetzt, hier und heute kann nichts mehr passieren ... dieser Abend ist safe
und die böse Welt da draußen ist vergessen.
Auf der Bühne wird gerockt und gehüpft was das Zeug hält und #inbetween macht mir klar, dass ich akustisch gesehen heute nicht den optimalen Platz habe. Der Jenzzz und seine Gitarre kommen schön
unausgewogen in meinen Ohren an ... zu sagen seine Gitarre ist laut wäre dann aber doch übertrieben. Und das Zusammenspiel aus Bass und Drums muss heute einen kleinen Umweg zu meinem Herzen
nehmen ... das Herzbeben ist also etwas leise, aber deswegen nicht weniger intensiv. Aber erstaunlicherweise gelingt es mir heute aus der ersten Reihe die ganze Band auf ein Foto zu
bekommen.
Es ist November und trotzdem erst Konzert Nummer 4 der aktuellen Tour. Olli spricht über das Projekt Klang & Leben und darüber, wie es sich anfühlt, dass zu Hause niemand klatscht,
wenn ein Musiker den Raum betritt. Mit dem #personaltightrope schütteln sich die Musiker den Staub der letzten Wochen von den Seelen ... der Hallig-Ausflug ist ja doch schon einige Wochen her.
Der Raum ist auf und vor der Bühne von schwitzenden Menschen mit glücklich strahlenden Gesichtern erfüllt. (Ich hoffe, ich bin nicht die Einzige hier, die ein bisschen nach Live-Konzert riecht.)
That's Rock'n'Roll ... aber ich bin ein wenig aus der Übung und hätte nichts gegen einen kleinen Song zum Durchatmen. Und die Band tut mir den Gefallen. Ich darf zu #starsinmyblood körperlich
verschnaufen, wobei die hohe Emotionalität, die dieser Song auslöst, sich trotzdem körperlich auswirkt.
Und wo wir uns gerade so schön in eine andere Welt träumen, kommt #liveall gerade Recht. Die Bühne ist erfüllt von Lebensfreude und purer Energie und ich möchte in der Ewigkeit des Augenblicks versinken. Spätestens bei #policyoftruth ist jede*r Neu-Terryaner*in "an Bord", aber Olli mag eben auch Leute, die Mitsingen, obwohl sie de Texte gar nicht kennen. Die komplette Harmonie ist energiegeladen und adrenalingeschwängert und ich bereue gerade, dass ich kein Wechsel-Shirt im Turnbeutel habe. Das wird nachher ganz schön kalt beim draußen rumstehen. Auf der Bühne wird #anotherface angestimmt und ich genieße die angenehmen Seiten der kleinen Besucherzahl ... während des Konzertes ganz entspannt an der Theke Nachschub holen und dann problemlos den "eigenen" Platz wiederbekommen. Ich kann mich nicht erinnern, wann mir das zuletzt gelungen ist ... es ist ebenso erstaunlich wie wundervoll.
Andy stimmt das Intro von #rubbishcolours und ich mache mich bereit für das große Herzbeben und die Gänsehaut, die diesen Song seit Jahrzehnten begleiten. Andy macht das großartig ... ich bin dann mal weg. Mein Kopf fährt Achterbahn, denn heute kann ich nicht nur spüren wie sich Musik anfühlt. Ich habe diesen abgefahrenen Synapsen-Flash und weiß sogar in welchen Farben dieser Song über das Publikum wabert
da sind Lila- und zarte Rosa-Töne, begleitet von nebligem Grün ... und nein, ich habe keine Substanzen genommen und bin erst bei der 4ten Schorle. Es ist dieser abgefahrenen Sound der meinen Kopf
flasht ... so krass war das, glaube ich, noch nie. Doch mit dem Song endet auch dieser spezielle Moment. Ich habe keine Zeit darüber nachzudenken was da gerade in meinem Kopf passiert ist. Doch
auch bei #fromlovetohate bleibt meine Welt auf den unvergleichlichen Sound dieser Band reduziert.
Seit 30 Jahren kenne ich das Gefühl von anderen Menschen während eines Konzertes angestarrt zu werden, wenn ich so mit geschlossenen Augen mitsingend vor mich hin tanze. Und #grasshopper passt
sehr gut zu dem was ich dann fühle bzw. denke. Aber heute finde ich es besonders spooky ... ich hab das Gefühl von jemandem beobachtet zu werden, der selbst ständig die Augen zu hat und im
Augenblick versinkt. Ich sag ja, meine Synapsen drehen heute eine Extra-Schleife. #notafraidtodie verpasst mir eine Ganzkörper-Gänsehaut ... liegt vielleicht daran, dass Alexa und ich heute sehr
viel über das Leben gesprochen habe und was es aus uns gemacht hat. Vielleicht berührt mich dieser Song aber auch so sehr, weil mir das Leben schon mal richtig ins Kreuz getreten hat und ich mich
nach Kräften gewehrt habe.
#touchthesky ... eigentlich würde Olli gleich ins Publikum springen, aber dieses blöde C-Gedöns verdirbt alles. Nur eine Sache kann auch die Pandemie nicht ändern ... we're friends
forever. Ich kenne kaum ein besseres Gefühl als mit anderen Mensch*innen in einem Konzert zu stehen und das Leben zu feiern. Und heute feiern wir wie verrückt, denn es könnte das letzte Mal
für Wochen oder gar Monate sein. Thees Uhlmann hat geschrieben "die Zukunft ist ungeschrieben, die Zukunft ist so schön vakant" und in pandemischen Zeiten weiß niemand, wann wir endlich
wieder gemeinsam feiern können.
Eigentlich ist das Konzert jetzt offiziell zu Ende, aber Olli kann sich nicht so richtig von uns trennen und wir applaudieren die Band nur allzu gerne auf die Bühne zurück. So machen Zugaben
Spaß. Die Band erfüllt unserem Organisator Andi einen Wunsch und ich danke ihm aus tiefsten Herzen für diesen Wunsch: #happytimes
Es ist Samstag Abend und trotzdem kriechen die friday demons tief in mein Herz. Olli ist dermaßen lost in music, dass er uns im Impro-Teil an seiner The Doors-Jugend teilhaben
lässt. Nach dieser musikalischen Ekstase ist niemand gewillt den Abend schon zu beenden. Wir brechen auf nach #waterland und ein leicht irritierendes
whoop whoop wird Olli wohl noch lange in Erinnerung bleiben. #thebestisyettocome ist definitiv einer der besten Rausschmeißer-Songs ever und die Band reißt ein letztes Mal mit voller
Wucht mein Herz ab.
Wow, was für ein musikalischer Abriss ... langsam, aber unaufhaltsam wabert die Realität in meinen Kopf zurück. Das Leben ist echt abgefahren ... eben war ich noch in einer anderen Dimension und plötzlich verabschieden sich die ersten Lieblingsmenschen.
Und das Leben ist eine wirklich verrückte Angelegenheit ... da muss ich nach Bonn fahren, um Leute zu treffen, die nur einen gefühlten Steinwurf von mir entfernt wohnen. Wir wollen den
Moment festhalten und quatschen stundenlang bei kalten Getränken bis in die Nacht. Und wir ziehen das so lange durch bis der Wirt uns bittet zu gehen. Natürlich kann ich den Abend nicht ohne
einen Groupie-Moment beenden ... wenn ich schon einen Drumstick geschenkt bekomme, dann will ich auch ein Autogramm.
Der Spaziergang ins Hotel ähnelt mehr einem speedrun ... große Männer mit langen Beinen sind für mich eine echte Herausforderung.
Nach einer kurzen Nacht lassen wir das Wochenende bei einem Frühstück in gemütlicher Runde ausklingen. Ich bekomme aus heiterem Himmel ein Geschenk von einem liebenswert Verrückten, mit dem ich
niemals gerechnet hätte. Und die Rückfahrt mit der Deutschen Bahn ist nicht weniger abenteuerlich als die Anreise. Wir sind ein bisschen drüber, ich sag nur den Kindern geht es gut und sie
lassen grüßen.
Der Preis für die charmanteste Reisebegleitung in einem Zug geht in jedem Fall an Alexa. Nach einigen Irrungen und Wirrungen im DB-Fahrplan komme ich mit genau zwei Wünschen zu Hause an: Essen
und Schlafen. Ich kann schon jetzt jede einzelne Muskelfaser spüren ... dieses Wochenende wird nicht nur emotional Spuren hinterlassen.
Wenn ich ganz viel Glück habe, dann wird es im Dezember eine Terry Christmas geben und ich werde viele aus der Terry Family wiedersehen. Und wenn die Band im Jahr 2022 hoffentlich ein erneutes Gastspiel in der Harmonie gibt, dann möchte ich unbedingt dabei sein.
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