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The Mystery of Banksy - A Genius Mind

Oktober 2023 - die niedersächsische Presse ist voll von Berichten über die Banksy-Ausstellung in Hannover. Wieder einmal rätselt alle Welt darüber, wer dieser Typ ist, und hinter dieser Diskussion verblasst die Frage, was uns der Typ mit seiner Kunst sagen will. Ich halte grundsätzlich nichts von Informationen aus zweiter Hand und würde die Ausstellung gern selbst besuchen, doch mein Terminkalender platzt ständig aus allen Nähten. Das hält meine Lieblingsmenschen natürlich nicht davon ab mir zum Geburtstag einen Ticket-Gutschein zu schenken und den verwandle ich in eine Flex-Eintrittskarte für die Banksy-Ausstellung. Jetzt gilt es nur noch im Januar einen freien Tag zu organisieren.

Eine so oft besprochene Ausstellung am Wochenende zu besuchen, scheint mir mit einem Blick in den siebten Kreis der Hölle vergleichbar. Doch eine glückliche Fügung verhilft mir zu einem freien Tag mitten in der Woche und so fahre ich an diesem Dienstag mit dem Deutschland-Ticket nicht zur Arbeit, sondern nach Hannover.

Die Ausstellung "The Mystery of Banksy - A Genius Mind ... an unautherized exhibition" findet ausgerechnet in einem aufgegebenem Kaufhaus statt. Es hat schon eine gewisse Komik, dass ein Künstler, zu dessen Themen die Kapitalismuskritik gehört, in einem ehemaligen Konsumtempel ausgestellt wird.

 

Es fühlt sich surreal an, dass der Zug, der mich sonst zur Arbeit bringt, mich heute in eine fremde Welt entführt. Bei Betreten der Ausstellungsräume ist mein erster Gedanke ein Song-Zitat des verstorbenen Rappers NMZS "Urban Music, Street Art und Graphic Novels? Wtf, ich kenn nur Rap, Grafitti und Comics."
Natürlich werden hier keine Originale ausgestellt. Schließlich wurden die gezeigten Grafitti auf Gebäude in der ganzen Welt gesprüht und zum Teil von fleißigen Spießbürger*innen wieder entfernt. Fotografien, Drucke, Leinwände und Skulpturen befinden sich mittlerweile in Museen oder Privatsammlungen, ein Hoch auf die Kapitalisierung der Kunst. Im Jahr 2018 hat sich gezeigt was Banksy selbst davon hält, dass seine Kunstwerke über große Auktionshäuser dem kapitalistischen Kreislauf zugeführt werden. Eine spektakuläre Aktion während einer Sotheby's Auktion erzielte ein riesiges Medienecho. Zur Versteigerung stand das Bild Girl With Red Ballon und beim Höchstgebot von 1,2 Millionen Pfund zerschnitt sich das Bild automatisch in Streifen. Doch der vermutlich ferngesteuerte Reißwolf kam ins Stocken und so wurde das Bild nur zur Hälfte zerstört. Das Resultat wurde kurzerhand zu einem neuen Kunstwerk erklärt und ist seither unter dem Namen Love Is In The Bin bekannt. Gewinnt am Ende doch immer der Kapitalismus?


Stundenlang laufe ich durch die Ausstellungsräume und schweben zwischen Kapitalismuskritik, Anti-Kriegsparolen und allgemeiner System-Kritik. Ich lasse all diese Repliken des berühmten (und doch anonymen) Künstlers auf mich wirken. Ich bewege mich zwischen Bildern, Video-Installationen und Graffiti-Nachbildungen. Die Reise geht von London & Bristol, über die Ukraine bis nach Israel/Palästina. Meine Gefühlslage schwankt zwischen Schmunzeln und Entsetzen und nach 5 Stunden gewinnt die Beklemmung die Oberhand und ich mache mich auf den Heimweg. Das Gedankenkarussell ist nicht zu stoppen und der Tag endet mit dem Gefühl, dass Banksys Anonymität irgendwie seine Superkraft ist, denn sie gibt ihm die Möglichkeit uns auf die unangenehme Realität hinzuweisen.

 

https://www.ndr.de/kultur/kunst/Street-Art-Banksy-Ausstellung-eroeffnet-in-Hannover,banksyhannover100.html

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