22. Dezember 2023 - im Capitol sind gerade die Lichter angegangen, durch meine Blutbahn schießt literweise Adrenalin und der rationale Teil meines Gehirns ist immer noch offline. Ich flüchte aus der Menschenmasse ins Obergeschoss und versuche bei einem Wasser und einer Zigarette wieder zu Verstand zu kommen. Und während ich versuche meine Gedanken zu sortieren und dem surrealen Glücksmoment zu entkommen, schließlich muss ich gleich auf der Autobahn einen klaren Kopf haben, ploppt eine Push-Benachrichtigung auf meinem Mobiltelefon auf. Der Algorithmus eines großen Ticket-Dealers bietet mir Tickets für die "Terry Christmas 2024" an. Für gewöhnlich neige ich nicht zu Impulskäufen, Dererlei Benachrichtigungen führen eigentlich dazu, dass ich mich zu den ungewöhnlichsten Zeiten über einen speziellen Login zu diesem Tickethändler begebe, um versandkostenfrei Tickets zu ordern. Doch gerade bin ich noch nicht Herrin meiner sieben Sinne und so folge ich dem Impuls und klicke kurzerhand auf "kaufen". Ich verlasse die "Terry Christmas 2023" also mit der Gewissheit bereits ein Ticket für 2024 zu haben. Und so hängt dann ein ganzes Jahr lang ein Ticket an meinem Kühlschrank, dass mich zielsicher in eine andere Welt entführen wird.
13. Dezember 2024 - ich habe vergessen mir einen freien Tag einzutragen und so sitze ich, 111 km vom Capitol entfernt, stundenlang auf heißen Kohlen in einem dienstlichen Termin. Doch die Göttin der Musik ist mir wohlgesonnen und ich schaffe es, ohne Stau auf dem "highway to hell", pünktlich in Hannover anzukommen. In gemütlicher Runde mit Lieblingsmenschen verputze ich Burger & Fritten und wir verquatschen die Zeit bis zum Konzertbeginn. Es ist wohl einer der schönsten "Nebeneffekte" vieler Konzertbesuche, vorab mit den Lieblingsmenschen plaudern und sich für den anstehenden Abend stärken. Es ist der Moment, in dem ich feststelle, dass ich das beste Hobby der Welt mit tollen Menschen teilen darf ... life is beautiful.
Als wir am Capitol ankommen, hat der Einlass längst begonnen und wir machen uns auf die Suche nach den übrigen Menschen aus der Terry Family und werden schnell fündig. Durch das Foyer flattern
aufgeregte Bandmitglieder und es fällt das schönste aller Worte "Ausverkauft!". Entgegen aller Gewohnheit versammeln wir uns heute eher linksseitig vor der Bühne. Es wird gequatscht, getrunken,
gelacht und immer wieder wollen weitere Mitglieder der Terry Family begrüßt werden. Einzig die uns unbekannten, zum Teil sehr viel älteren Menschen, die sich in die ersten Reihen mogeln,
irritieren uns. Es stellt sich heraus, dass es sich um Eltern und Großeltern der Vorband handelt.
Die Vorband ist der diesjährige Gewinner eines Hannoveraner Bandcontest und heißt Torn Paper. Ich habe in den letzten 32 Jahren schon viele Vorbands gesehen und diese Combo ist eine von den
Guten. Die Stimmung ist hervorragend und ich beobachte amüsiert, wie die stolzen Großeltern das Geschehen auf der Bühne filmen. Neben wirklich guten Cover-Versionen gibt die Band auch
herausragende Eigenkompositionen zum Besten. Doch egal wie sehr wir diese hoffnungsvollen Nachwuchstalente feiern, am Ende warten wir auf die Band, die unsere Jugend geprägt hat. Während der
Umbaupause mogle ich mich in die erste Reihe und amüsiere mich über die Kommentare des family supports der Vorband.
Und dann ist es plötzlich soweit ... das Licht geht aus und mit einem ausgiebigen Intro betritt die Band die Bühne. Song Nummer 1, #insanity, katapultiert mich in eine andere Welt. Wtf ... die
Band startet den Abend mit DEM Song, der mich im Bruchteil einer Sekunde in einen 16jährigen Teenager verwandelt. Terry Hoax schrauben seit ein paar Monaten an einem neuen Album und mit
#circleofdesire hat es eine der fabelhaften neuen Kompositionen ganz vorn auf die Setlist geschafft. Ich freue mich wie Bolle auf das neue Album. Die bereits veröffentlichten Songs haben diesen
90er Jahre Flair des puren Rock'n'Roll.
Am Absperrgitter ist eine fragwürdige Podest-Konstruktion verankert, ich bin gespannt, wie oft Olli heute Abend dort herumspazieren wird. An dieser Stelle ein kleiner Spoiler: verdammt oft.
Dieser kurze klare Gedanke wird von #fromlovetohateandback unmissverständlich fortgespült und ich verliere ich mich erneut in der Surrealität des Augenblicks. Mit geschlossenen Augen und weit
geöffnetem Herzen träume ich mich durch #palesoul. Die Wichary-Brüder sind voll in ihrem Element, Hachy und Kai sehen jetzt schon so aus, als würden sie schon 2 Stunden auf der Bühne stehen und
Olli ist einfach Olli. Es fühlt sich an, als wären die übrigen Menschen im ausverkauften Capitol verschwunden, als wäre ich allein mit dieser Musik. Doch mit der Energie von #liveall sind sie
alle mit einem Wimpernschlag zurück. Die Welt um mich herum besteht aus glücklichen Menschen aus deren Augen die pure Lebensenergie funkelt. Und während hunderte Menschen ihre Arme zur Musik
schwenken, kann ich ein Quäntchen des Adrenalins spüren, das die Band an solchen Abenden wohl durchflutet. Der Adrenalin-Kick erreicht mit #grasshopper seinen vorläufigen Höhepunkt und ich
wünsche mir, dass dieser Abend niemals endet.
Mit #meanwhile hat es ein weiteres neues Song-Schätzchen auf die Setlist geschafft. Das neue Album wirft großartige Schatten voraus. Mit #tasteyourmind haben Terry Hoax ganz tief in die
Schatzkiste der 90er Jahre gegriffen, Splinterproof war schon ein verdammt geiles Album. Mit #inbetween nehmen Adrenalin und Endorphine erneut Fahrt auf, um bei #policyoftruth das
Capitol förmlich explodieren zu lassen. Nicht nur Olli, sondern auch Kai lässt sich zu einem Ausflug auf den "Anbau" hinreißen. Ich glaube, wenn er könnte, würde Kai samt Bass ebenfalls ein Bad
in der Menge nehmen. Und dann schüttet die Band einen Traum über der aufgepeitschten Menge aus und "my heart drops over for being happy" als die Band zu #rubbishcolours ansetzt. Im
Capitol sind ca. 600° und ich stehe mit einer Gänsehaut am ganzen Körper da und weiß nicht wohin mit meinen Gefühlen. Mit dem Song #falling gibt die Band einen weiteren Ausblick auf das kommende
Album und langsam, aber unausweichlich, biegen wir auf die Zielgrade ein. Doch was wäre die Terry Christmas ohne den "Flying Perau"? Richtig, ein unfertiger Abend. Nach dem missglückten
Flugversuch vor zwei Jahren und dem sensationellen Sprung von der Balustrade im letzten Jahr, lässt Olli es heute vergleichsweise ruhig angehen und springt von der improvisierten Konstruktion an
der Absperrung. Wir singen derweil die signature line von #touchthesky, denn wir, die Terry Family, sind friends forever.
Eigentlich würde die Band jetzt Feierabend machen, aber lange bitten müssen wir nicht. Diese Typen haben einfach zu viel Bock, um jetzt einfach aufzuhören. #lastcall ist ein neuer Song, der
einige zu Tränen rührt und viele zum Nachdenken bringt. Ich muss nicht lange nachdenken, wen ich noch einmal anrufen würde, wenn ich denn könnte. Wir drehen noch eine Runde durch #waterland,
bevor die Band erneut versucht sich zu verabschieden. Aber sie ergeben sich den "Zugabe"-Rufen. Und so drehen Terry Hoax mit uns und #happytimes eine letzte, ekstatische, fulminante Runde im
Rock'n'Roll-Rollercoaster. Matze lässt es sich nicht nehmen zum Abschluss auf dem "Anbau" zu performen und die Menge für sich einzunehmen. Es sind diese einzigartigen Momente, die meinen Hunger
nach mehr wecken.
Und dann geht das Licht an, die Musik kommt wieder aus der Konserve und die Wirklichkeit schleicht sich langsam und erbarmungslos in die Szenerie. Wir verabschieden uns mit guten Wünschen für die anstehenden Festtage und versprechen uns ganz bald wiederzusehen, natürlich vor einer Bühne.
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